iL–Alumni
6. Juni 2023
iL–Alumni Rebecca Saive:
„Eine Talentschmiede“
Zum Auftakt unserer neuen Alumni–Serie stellen wir die ehemalige iL–Doktorandin Rebecca Saive vor. Etwas mehr als drei Jahre lang forschte die Wissenschaftlerin, die am 18. März 1987 in Ludwigshafen geboren wurde, am hiesigen InnovationLab. Als Post–Doc zog es sie ans renommierte California Institute of Technology (Caltech) nach Pasadena. Seit Januar 2018 ist Rebecca Saive mit 36 Jahren Professorin für Angewandte Physik an der Universität Twente in den Niederlanden. Es ist offensichtlich, dass sich bei ihr Beruf und Berufung stets verknüpft haben. „Ich fühle mich so, dass ich im richtigen Job bin. Es macht mir unglaublich Spaß, mit einem motivierten Team und jungen Studenten zu arbeiten“, sagt Rebecca Saive im Gespräch.

Wir sitzen uns in einem kleinen Meeting–Raum gegenüber. Für Rebecca Saive ist es eine Reise in die Vergangenheit. Von Dezember 2010 bis Februar 2014 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am InnovationLab tätig gewesen. Die Erinnerung an diese Phase ihres Werdegangs ist noch frisch. Sie hatte sich nach ihrem Physik–Diplom an der Technischen Universität München und einem dreimonatigen Praktikum bei BASF sowohl in München als auch am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und an der Universität Heidelberg beworben. Dann wurde eine Stelle als Doktorandin frei und sie entschied sich für den Verbleib an der Speyerer Straße hier. Da Rebecca Saive ohnehin bereits an organischen Solarzellen gearbeitet hatte, konnte sie idealtypisch ihre Kenntnisse vertiefen. „Es war sympathisch und wir hatten Visionen“, sagt Rebecca Saive zurückblickend, „ich habe das Potenzial eines akademischen Startups gesehen und dachte: hier kann man gemeinsam etwas Cooles bewirken!“
„Wir wollten unser Superlabor aufbauen“
Thema, Team und offene Atmosphäre am iL passten, als eine der ersten Doktorandinnen und Doktoranden genoss sie unter dem damaligen Gruppenleiter Michael Kröger die Promotionszeit. Gemeinsam mit den Universitäten aus Darmstadt, Braunschweig und Karlsruhe tüftelten die „Heidelberger“ an der Ausgestaltung ihres Forschungskosmos. „Wir wollten unser Superlabor aufbauen“, berichtet Rebecca Saive lächelnd, „und wir hatten die Anwendungen bereits im Hinterkopf.“
Mit vereinten Kräften wurde in den weitgehend noch leeren Räumen gewerkelt Löcher mussten gebohrt, Gasleitungen zusammengeschraubt, Rohre verlegt werden. Es klingt nach hoher Improvisationskunst und einem Maß an Pioniergeist, was Teammitglieder mit intrinsischer Motivation und Stolz ans Tageswerk gehen lässt. Firmen wie BASF, Merck und Heidelberger Druckmaschinen waren vor Ort, der Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fand zwangsläufig statt. Täglich, ungezwungen, unmittelbar. „Wir haben an einem großen Experiment gearbeitet. Durch verschiedene Professoren gab es sehr viel Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und Freiraum. Sich alles selbst definieren zu können, ist einfach großartig“, konstatiert sie demütig.
Dies sieht Rebecca Saive heute noch so. Die Freiheit, Forschungsgebiete mit einem „Out–of–the–Box–Denken“ für sich und andere zu erobern, zieht sich wie ein roter Faden durch diese junge, konsequent beschrittene Karriere. Durchs Elternhaus in Ludwigshafen–Ruchheim geprägt, Mutter und Vater sind von Beruf her Chemiker, bewahrt sich Rebecca eine kindliche Neugierde. Sie ist stets eine Vorzeigeschülerin und studentin. Ehrgeizig, zielorientiert und bei Bedarf sehr hartnäckig. Bestes Beispiel: Ans Caltech nach Kalifornien lädt sie sich quasi selbst ein. „Ich habe versucht, den Fuß in die Tür zu bekommen“, berichtet sie, „wissenschaftliche Koryphäen werden von jedem angesprochen.“ Sie reist also nach Pasadena, stellt sich Professor Harry Atwater persönlich und proaktiv vor, hält einen überzeugenden Vortrag und bekommt eine Arbeitsstelle, so dass sie sich als Postdoc mit Grenzflächen von inorganischen Solarzellen beschäftigen kann.
Besuch am InnovationLab: Prof. Rebecca Saive (2. .v.l.) mit Dr. Janusz Schinke (v.l.), Michaela Sauer, Dr. Tanja Benedict, Dr. Michael Kröger und Rebeccas Ehemann Dr. Sebastian Husein. Bild: InnovationLab
Wissenschaftlerin und seit 2017 Start–up–Unternehmerin
Zwischen 2014 und 2018 weilt Rebecca Saive in den USA. Eine Phase, die sie nicht missen möchte. Und in der etwas Zusätzliches entsteht, denn sie kann neben ihrem Portfolio als Wissenschaftlerin ein weiteres als Unternehmerin hinzufügen. Gemeinsam mit dem Amerikaner Harry Atwater und dem Niederländer Thomas Russell wird sie 2017 Mitbegründerin des Start–ups ETC Solar (heute MESOLINE), einer Firma, die neue Mikro–3–D–Druckprozesse entwickelt, um Solarzellen zu verbessern. Das Start–up zieht in die Niederlande um, wird 2021 zu hundert Prozent verkauft und widmet sich unter CEO Thomas Russell und dem Sitz in Rotterdam nunmehr anderen Themenschwerpunkten. „Ich bin komplett raus, trotzdem ist es eine Erfolgsgeschichte und ich bin stolz darauf“, sagt Rebecca Saive. Augenzwinkernd: Es muss ja nicht ihr letztes Start–up gewesen sein! Sie hält es nämlich für essentiell, Ideen auszuloten, Technologien dahingehend zu entwickeln, um sie verbraucherorientiert auf den Markt zu bringen und in die Gesellschaft zu tragen. Dieser Ansatz gehört übrigens auch zur DNA der InnovationLab GmbH.
Salopp könnte man formulieren: Ökonomisches Potenzial in den Feldern der Natur– und Ingenieurswissenschaften zu erkennen, gilt als besondere Herausforderung.
2018 kommt Rebecca Saive nach unzähligen Bewerbungen, zunächst als Assistenzprofessorin, an die Universität Twente in Enschede. Solarzellen und deren Leistungsspektrum zu verbessern, ist nach wie vor ihr Steckenpferd. Neuartige Reflektoren, die das Licht in Solarzellen weiterleiten, mögen auch als frischgebackene Professorin im Fokus stehen, mindestens genauso wichtig ist es ihr, durch die Forschung zu einer saubereren, nachhaltigeren Energiequelle für die Welt sowie deren Zukunft beizutragen. Darüber hinaus steht ein dynamisches universitäres Umfeld und Team bei ihr hoch im Kurs. Im Moment leitet Rebecca Saive eine rund zehnköpfige Gruppe aus Postdocs, Docs, Master– und Bachelorstudenten an der UT, gleichzeitig der ersten Campusuniversität der Niederlande. „Ich bin nah an der Forschung dran, wirklich dabei. Ich liebe es, mit Studenten zu arbeiten und deren Fortschritte zu verfolgen“, erklärt sie. Jeder Arbeitstag halte eine positive Überraschung parat.
Rebecca mit ihrem imposanten kalifornischen Doktorhut ... Bild: Privat
Permanente Suche nach Fördermitteln
Gibt es Einschränkungen? Das größte Problem eines akademischen Lebens sei primär die permanente Suche nach Fördermitteln. Es koste sie unendlich Zeit und Energie, um Finanzierung von noch so interessanten Forschungsprojekten gewährleistet zu bekommen, ob auf nationaler oder auch auf europäischer Ebene. Co-Finanzierung von Firmen, selbst beim Thema Erneuerbare Energien, seien enorm schwierig. „Es ist eben nicht mehr so wie bei BASF vor 15 Jahren“, so Rebecca Saive, „selbst wenn es sich um interessante Innovationen handelt, ist es meist ein Riesenproblem.“ Sie wünscht sich mehr Verbindlichkeit und letztlich auch mehr Fingerspitzengefühl dafür, um Finanzierungsmodelle für Forschungsideen ohne weniger Rechtfertigungsdruck umsetzen zu können.
Die eine oder andere gut gemeinte Empfehlung hat Rebecca Saive auch für InnovationLab im Nachhinein parat. „Es ist ein einzigartiger Arbeitgeber, aber das kannst du im Lebenslauf oft nicht richtig rüberbringen“, findet sie einen Kritikpunkt. Ihre Vorschläge: Ein Mehr an Karrierecoaching, die verstärkte Chance, wissenschaftlich publizieren zu können sowie die Bewerbung für Preise sowie die Kreation eines eigenen Awards hält sie für opportune Maßnahmen, um ein besonderes Umfeld wie das in der Heidelberger Bahnstadt in den Fokus zu rücken. In Wissenschaftskreisen, aber eben auch, was eine breitere Öffentlichkeit anbetrifft.
„Das ist hier eine Talentschmiede“
„Alle von uns Alumnis haben einen guten Job bekommen. Vieles ist über Mund-zu-Mund-Propaganda gelaufen. Ich weiß, dass das hier eine Talentschmiede ist und diese über ein entsprechendes Netzwerk verfügt“, bilanziert Rebecca ihre wohltuende Innen- und Außenperspektive, „bei den akademischen Karrieren ist das allerdings ein bisschen schwieriger. Ich kenne lediglich Julia Maibach, Gerardo Hernandez-Sosa und mich, aus denen bisher Professoren geworden sind.“
Wie dem auch sei: Der herzliche Kontakt zum iL wird bestehen bleiben. Ein Austausch auf studentischer Ebene wäre denkbar, zumal sich das iL wieder als Plattform und Nachwuchsschmiede für Wissenschaft und Wirtschaft - wie einst - positionieren möchte.
Vermutlich würde Rebecca Saive (fast) alles noch einmal genauso machen. In naher Zukunft steht erst einmal die private Komponente im Vordergrund. Gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Sebastian Husein, einem Materialwissenschaftler, der als „Business Developer“ an der Universität Twente beschäftigt ist, lebt sie stadtnah und doch an der Peripherie. Seit einem Jahr bewohnt das deutsch–amerikanische Paar ein Anwesen mit Stall und Weide, zu dem zwei Pferde gehören, am Stadtrand von Enschede.
Im Oktober erwarten Rebecca und Sebastian erstmals Nachwuchs einen Jungen. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass aus ihm eines Tages ein innovativer, engagierter und freiheitsbewusster Wissenschaftler werden kann. Und wenn nicht? Dann nicht.
Rückblende: Gruppenfoto aus den iL–Anfangsjahren mit Rebecca Saive (4.v.r.), Janusz Schinke (5.v.r.) und Michael Kröger (5.v.l.). Bild: InnovationLab
Joachim Kleahn
Kommunikationsleiter
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