iL‒AKTUELL
21. Oktober 2025
Industrie und Politik als Hebel für bahnbrechende Innovationen
Der CLEAN TECH INNOVATION DAY & SOLAR TAP INDUSTRY DAY hatte den Charakter einer Fachtagung und eines Netzwerktreffens. Über 70 Teilnehmende im Heidelberg Congress Center wussten die thematische Bandbreite und den offenen Austausch im Clean‒Tech‒Bereich sehr zu schätzen. iL fasst an dieser Stelle die verschiedenartigen Highlights des Events, drei Sessions und die flankierende Ausstellung im zweiten Obergeschoss des HCC zusammen.
Dr. Gunter Erfurt stimmte die Teilnehmenden in seiner Keynote auf die Veranstaltung ein. Der Vortragstitel: „Wie man sich in der Clean‒Tech‒Branche zurechtfindet, Innovation schafft und inmitten der heutigen geopolitischen Lage erfolgreich ist“. Erfurt gab dabei einen Überblick auf den Status quo und die greifenden Mechanismen in der globalen Wirtschaft und Politik. Europa und damit auch Deutschland habe „den Zug verpasst“, überlasse China und den USA in Sachen Souveränität, Resilienz, Wachstum und Innovation die Dominanz, Abhängigkeiten bei den Rohstoffen und in den Lieferketten würden zudem die Ausgangssituation erheblich erschweren. Erfurt: „Chinas Fokus ist es, die Lieferketten zu kontrollieren. Europa wirkt dagegen wie ein zahnloser Tiger und findet keine Antworten darauf.“
Dr. Gunter Erfurt, Ex‒CEO von Meyer & Burger, Unternehmer, Investor und Start‒up‒Förderer, stimmt das Publikum im Heidelberg Congress Center mit seiner Keynote auf den CLEAN TECH INNOVATION DAY & SOLAR TAP INDUSTRY DAY ein. Bild: Lukas Adler
Gunter Erfurt fordert Schutz unserer Märkte
Trotz des eingeführten Net‒Zero Industry Acts (NZIA) der Europäischen Union und des wirtschaftspolitischen Strategiepapiers „Wachstumsagenda für Deutschland“ gäbe es keinen hinreichenden Schutz unserer Märkte. Dabei seien Tarife ein gutes Instrument, um steigende Defizite einzudämmen. „Wir brauchen faire Marktbedingungen und zwar global“, so Erfurt. Er skizzierte das Bild einer strategischen Marktverzerrung. „Während sich China und die USA zweckorientiert auf Zukunftstechnologien fokussieren“, appellierte Erfurt an Mut und Kreativität auf der Lösungsebene, „führen wir in Deutschland eine vermeintliche Diskussion über Technologieoffenheit. Dabei haben wir Forschungsinstitute von Weltklasseformat, verharren aber bei der Umsetzung als Bummelletzter.“ Europa müsse dringend klarer werden in seiner Vision und die Umsetzung von Ideen beschleunigen. Unterm Strich gehe es darum, Wissen in die Industrie zu bringen und eine einheitliche wissenschaftliche Sichtweise wirksam in die politische Debatte einzuführen, um Fortschritte bei den Erneuerbaren Energien zu erzielen.
Erfurt unterstützt als Unternehmer, Investor, Business Angel und Mentor gleich mehrere Unternehmen und Start‒ups: SpikelyAI, e/Hy elementarhy, PinPoint, SwiftSolar, Agnostic Industries und Clearvolt.
Lin Zheng von Fraunhofer ISI ergänzte Erfurts Gesamtbild um die deutsche Perspektive. „Die Rolle von Wasserstoff im Energiesystem: Szenarien für Deutschlands Zukunft“, lautete der Titel der zweiten Keynote. Das Fraunhofer Institut für System‒ und Innovationsforschung mit Sitz in Karlsruhe kümmert sich einerseits um technologische Entwicklungen (zum Beispiel Wasserstoff, Batterien, Energieeffizienz) und Innovationsprozesse, andererseits auch um politische wie wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie langfristige Szenarien bis 2045/2050.
Lin Zheng: „Wir denken langfristig“
„Wir denken und arbeiten langfristig“, sagte Lin Zheng, und stellte für Deutschland Elektrifizierung und ein Wasserstoff‒orientiertes Energiesystem in mehreren Übersichtstabellen gegenüber. Ein Marktbedarf für Wasserstoff sei zweifellos vorhanden, jedoch gelte es, die Kapazitäten von Elektrolyseuren und hohe Infrastrukturkosten bei notwendig werdenden Pipelines zu definieren. „Wir sprechen sehr viel mit politischen Vertretern“, ergänzte Lin Zheng und schlussfolgerte, dass eine Ausdehnung von Erneuerbaren Energien industrielle Innovationen, „Green Jobs“ sowie grenzüberschreitende Kooperationen in der EU begünstige. Eigene Produktionslinien, Importanlagen und die Schaffung einer Transportinfrastruktur würden freilich signifikante Kapitalinvestitionen und politische Rahmenbedingungen erfordern.
Die Aufgabe des Fraunhofer ISI und den dortigen 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es, wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlagen und empfehlungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu liefern. Ein aktuelles Beispiel für das Portfolio des Fraunhofer ISI ist das Arbeitspapier des Projekts „HYPAT H2 Potential Atlas“.
Gute Atmosphäre: In den Pausen bleibt viel Zeit zum fachlichen Austausch und zum Netzwerken. Bild: Lukas Adler
„Lab to fab“ und „Fab to lab“
In den drei Sessions „Innovative Materialien“, „Innovative Prozesse und Equipment“ und „Innovative Anwendungen“ bekamen die Teilnehmenden ein breites Themenspektrum geboten. Als kompetente Speaker traten Henning Richter (Nano‒C), Senol Öz (Solaveni), Benjamin Hansberg (BASF), Jürgen Emig und Christoph Rakousky (beide Freudenberg), Tobias Stubhahn (Sciprios), Kai Keller (Notion Systems), Sebastian Gatz (VON ARDENNE), Ivo Aretz (SALD), Kevin Stojanovski (hte), Jean‒Charles Flores (FLEXOO), Markus Ohnmacht (Bosch), Tomas Österberg (Epishine) und Herrmann Issa (Asca) vor das Fachpublikum. In der ersten Session war zu sehen, dass sich die Materialproduktion den spezifischen Anforderungen von neuer PV‒ und Wasserstofftechnologie anpasst. Insbesondere, was die Parameter Reinheit, Verarbeitbarkeit und Verfügbarkeit anbetrifft. Die zweite Session zeigte auf, dass Materialien nicht genug sind, sondern Prozesse und Equipment wie auch Skalierbarkeit von Innovation eine zentrale Rolle spielen. Das Konzept „Lab to fab“ bietet durchaus verschiedene Dimensionen an und orientiert sich vornehmlich am Aspekt der Technologie‒Reife, das Konzept „Fab to lab“ beinhaltet, dass Erkenntnisse aus der Industrie wieder zunehmend ihren Weg zurück in die Labore finden. Was beide Ansätze und Slogans eint: Sie generieren beide eine stärkere Verbindung zwischen Wissenschaft und Industrie, was sich letztlich positiv auf die Stabilität und Qualität der verwendeten Materialien und deren Prozesse auswirkt.
Im Zuge der dritten Session wurde deutlich, dass Innovation viel mehr ist als „nur“ neue Technologie, sondern eher einer neuartigen Anwendung von neuen Technologien entspricht. „Mit unserem skalierbaren Produktionsverfahren sind wir bereit, auch den Bedarf von Kunden mit Gigafactories etwa in der Batteriezellfertigung zu erfüllen“, sagte Jean‒Charles Flores selbstbewusst, Mitbegründer und CCO der FLEXOO GmbH, dem Spin‒off von InnovationLab. Ob gedruckte Sensoren für Elektrolyseure, Sensorfolien, Batteriezellen oder sehr dünne, flexible Foliensensoren FLEXOO hat sich seit der Ausgründung breiter aufgestellt und ist neben dem Automotive‒ auch für den Clean‒Tech‒ und Health‒Care‒Bereich sowie im großen Feld des industriellen IoT ein gesuchter Ansprechpartner.
Alle Speaker konnten nach ihren Vorträgen im Rahmen von „Speaker’s Table Sessions“ direkt angesprochen werden. Mehrere längere Pausen nach den zwei Keynotes und zwischen den drei Sessions schafften eine Atmosphäre des Netzwerkens, was von den Gästen aus dem In‒ und Ausland gerne genutzt wurde.
Messecharakter im zweiten Obergeschoss des HCC: Insgesamt sechs Stände bereichern das Clean‒Tech‒Symposium. Hier ein Eindruck vom Bosch‒Stand mit Kerstin Rittler (M.) und Dr. Markus Ohnmacht (2.v.r.). Bild: Lukas Adler
Kleine Messe im HCC: Sechs Aussteller
Eine gute Kommunikation war ferner an den sechs Ständen der kleinen Messe im Heidelberg Congress Center möglich. Bosch, Notion Systems, Sciprios, Solar TAP, FLEXOO und iL hatten vertiefendes Informationsmaterial zu ihrer geschäftlichen Stoßrichtung sowie originelle „Give‒aways“ mitgebracht. Tags darauf veranstaltete Solar TAP, die Innovationsplattform der Helmholtz‒Gemeinschaft, als Event‒Co‒Partner von iL ein weiteres Meeting mit rund 30 Expertinnen und Experten aus dem Solarenergiebereich in der sogenannten „iL.Connect.Space“.
Der CLEAN TECH INNOVATION DAY & SOLAR TAP INDUSTRY DAY veranschaulichte, dass Wissenschaft und Industrie ideale Ergänzungspartner darstellen und Kooperationen über Disziplingrenzen hinweg das Salz in der Suppe sind. Eine Bündelung an Maßnahmen, komplexer Technologietransfer und konkrete fortschrittliche Lösungen scheinen im Wasserstoff‒ und Solarenergiebereich in naher Zukunft unabdingbar beziehungsweise alternativlos zu sein.
Was nahmen alle Anwesenden übereinstimmend mit nach Hause? Für die Energiewende brauchen Forschung, Start‒ups und Unternehmen angesichts der geostrategischen Realitäten dringender als je zuvor die Unterstützung der Politik. Gunter Erfurt sagte dazu in seiner Keynote: „Wir müssen schneller, aggressiver und klarer im Handeln werden.“ Europa sei seit 150 Jahren ein innovationsgetriebener Kontinent, Deutschland habe schon immer Forschungsinstitute, aber auch Unternehmen von Weltklasseformat.
Es ist also höchste Zeit für bahnbrechende Clean‒Tech‒Innovationen, ehe der „Zug“ ohne uns abzufahren droht. Let’s go
Gelöste Stimmung: Professor Uli Lemmer, Wissenschaftlicher Geschäftsführer am InnovationLab und renommierter Wissenschaftler des KIT. Links neben ihm sitzt Dr. Helge Eggers, der sich für die inhaltliche Gestaltung der drei Sessions verantwortlich zeichnete. Bild: Lukas Adler
Joachim Klaehn
Head of Communications
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